Norbert Sternmuts neues Werk ist ein psychologisch dichtes und schweres Buch, mit einem Inhalt, der eigentlich immer präsent sein sollte und der grade jetzt in der Corona-Krise ein immenses Gewicht erhält. In epischer Weise erzählt der Ich-Erzähler des Buchs von seinem Winterdienst in einem Kinderheim, in welchem traumatisierte und verhaltensauffällige Jungen leben. Erschütternd beschreibt er die einzelnen Traumata der Jungen, die nachzeichnen, warum sie so sind wie sie sind – verstört, verschüchtert, voller Zorn, Hass, Wut, aggressiv gegen sich selbst, gegen andere und gegen Gegenstände. Aber auch sprachlos.
Sie haben ihr eigenes ›ICH‹ verloren.
Durch physische, sexuelle und psychische Gewalt, zugefügt von Vater oder Mutter, oder manchmal durch beide, oder auch von Verwandten, wurde ihre Kinderseele gemartert und zerstört. Narben auf der Seele, die vielleicht nie richtig heilen. Ausweglosigkeit – Suizidgefahr und der verlorene Glaube an Liebe zeichnet diese Kinder. Sie haben sich eingeigelt in ihrer eignen Welt, den Glauben an das Gute verloren, sind misstrauisch gegenüber jeder Hilfe und es bedarf jeglicher Anstrengung zu ihnen durchzudringen. Deutlich wird auch, wie Pädagogen, Psychologen und das ganze Personal, oft psychisch an ihre eigenen Grenzen stoßen.
Die Arbeitsbedingungen sind prekär, die Fluktuation in dem Bereich sehr hoch und ich denke mal die Bezahlung am unteren Rande der Mittelmäßigkeit.
Unbegreiflich, wie Eltern ihren Kindern so weh tun können, unbegreiflich wie sie die Seele ihrer Kinder zerstören, sodass sie nur noch eine einzige Wunde ist. Unbegreiflich, dass das nicht jeden Tag in den Focus der Öffentlichkeit gerückt wird. Unbegreiflich warum in unserem Land immer noch weggeschaut wird.
Und jetzt in der Zeit der sozialen Distanz der Corona-Krise, in welcher Schulen und Kindergärten geschlossen haben, mag ich mir das Ausmaß psychischer, sexueller und physischer Gewalt gegenüber Kindern gar nicht ausmalen. Kinder die Gewalt jeglicher Art tagtäglich erfahren, tragen das in sich, vergessen das nie und geben es vielleicht weiter, weil sie es nicht anders kennen. Die Mandelkern-Gedichte des Autors, die sich der epischen Erzählung anschließen, verdeutlichen die ganze Thematik in umfassender lyrischer Weise – melancholisch, traurig, aufrüttelnd. Stark finde ich auch die Schreibweise des Buchs, ohne Punkt und Komma, das Wesentliche erfassend, episch eben.
Der Inhalt des ganzen Buchs ist ein Schrei nach Liebe!
Ich empfehle das Buch sehr gerne weiter, es sollte eine große Anzahl der Leserschaft erreichen.
Heidelinde Penndorf
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