Das Buch lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits ist es eine interessante und spannende Geschichte, die erzählt wird. Angefangen von der Selbstverleugnung, dem Wirken der Sucht und deren Probleme, ins Familienleben hinein bis zum Kipppunkt – der Anerkennung, dass man süchtig ist und professionelle Hilfe benötigt. Die Story ist gut, lebendig und nachvollziehbar.
Der Autor hat mir plausibel erklärt, warum er sein Buch als Fachliteratur bezeichnet. Er ist seit Jahren trockener Alkoholiker und in den ersten Jahren seiner Abstinenz hat er jede Phase und alle Empfindungen über sich selbst dokumentiert und analysiert. Für ihn selbst und allen Betroffenen, die das gleiche Problem mit dem Alkoholismus haben oder hatten, ist dieses Buch fachbezogener, als alle anderen bisher erschienenen, da sie das gesamte Gefühlsleben eines Betroffenen wiedergeben. Angesichts dessen hat er seinen verinnerlichten Wissensschatz in dieser Geschichte verarbeitet. Das ist hoch anzuerkennen.
Misslungen in dieser Geschichte ist der Schreibstil, der das körperliche Anderssein eines Kindes mit einem stigmatisierenden Wortschatz beschreibt, von dem ich dachte, dass dieser längst der Vergangenheit angehört.
Ergänzen möchte ich noch, dass das körperliche Anderssein des Kindes durch seine Klugheit ausgeglichen wird, es aber später in eben jene Fußstapfen tritt, die ihm von seinem Pflegevater vorgelebt wurden.
Trotz Kritik empfehle ich das Buch allen interessierten Lesern gern weiter, eben wegen jener Erfahrungen der ersten Abstinenzjahre.
Heidelinde Penndorf
(November 2023)
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