Es ist ein lauter und rasanter Roman, ungewöhnlich flippig geschrieben, mit vielen effektiven Lautmalereien, die die Leserschaft visuell anregend mit den Gedanken der Protagonisten und auch der Geräuschkulisse und den Geschehnissen ihrer Erlebniswelt verbindet.
Nur manchmal ist er leise und dann aus gutem Grund – da braucht es keiner großen Worte, um die Verlorenheit der beiden Mädels zu beschreiben, die seit sie laufen können, Freundinnen sind und Seelenzwillinge obendrein.
Es sind vergessene Kinder – vergessene Jugendliche. Lara, aus gut situiertem Haus, hat zwar alles, was sich eine 17-jährige wünschen kann, erfährt aber ansonsten durch ihre Eltern eine emotionale Losgelöstheit und Vernachlässigung, die schon an Gleichgültigkeit grenzt.
Ebenso Karla, deren Eltern an der Armutsgrenze leben, sich aufgegeben haben und nur noch TV schauen – Blödfernsehen – von morgens bis abends und dabei vergessen haben, dass es Karla überhaupt gibt, so scheint es jedenfalls.
Karlas Gedanken dazu: »Zuhause ist zu. Haus ohne Ausgang. Alltag ohne Zukunft. Hier ginge sie unter. Ihre Alten waren Schuld. Oder? Selbst suchen. Ein Rettungsboot …«
Ein Rettungsboot – ›das kleine Blaue, mit dem dreckig-gelben Deck und den vielen Bullaugen‹
Und so kommt es auch … Die aktive lebendige Karla und die ruhige etwas ängstliche Lara diebsen dieses Boot, bringen es sogar zum Laufen und erkunden damit die Gewässer Bremens. Frei sein, ohne Zwänge, ohne Eltern, die sie sowieso nicht wahrnehmen – endlich sie selbst sein können – und beide verlieren sich ein Stück und beide wachsen mit der Situation ein Stück weit über sich hinaus. Da wird es wieder laut in der Handlung, stürmisch, situationsbedingt komisch und manchmal auch ernst, zum Nachdenken ernst und auch zum Traurigsein ernst – für beide.
Dann wird es wieder ganz leise im Buch. Lauras Schultasche wird im Wasser gefunden und die Polizei spricht bei den beteiligten Eltern vor. Die Reaktionen können unterschiedlicher gar nicht sein – die einen trennen sich und bei den anderen wird zumindest ein Elternteil munter und wir verfolgen, wie dieser das erste Mal – wahrscheinlich seit langer Zeit – den Fernsehsessel verlässt und zum Spielplatz geht, auf welchen früher seine kleine Tochter spielte. Reale Menschenschicksale in Worte und Geschehnisse gebannt. Das haut einen fast um, als Leser – diese leisen und lauten Töne im Buch, weil sie gegenwärtiges soziales so lebendig zeichnen.
Wie es den beiden jungen Frauen auf ihrer Schiffstour ergeht und wen sie kennenlernen dabei und wer ihnen aus mancher Verlegenheit hilft – ein spannendes Leseerlebnis, mit viel visuellem Kopfkino.
Ich empfehle dieses Buch sehr gerne weiter, es ist nicht nur ein Jung-Mädel Roman, sondern auch ein Buch für interessierte Erwachsene, schon wegen der leisen sozial zwischenmenschlichen Töne im Buch, die ich sehr bemerkenswert finde.
Heidelinde Penndorf
(07.03.2019)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen