In diesem Buch der Autorin steht das ›Anderssein‹ im Mittelpunkt. Anderssein – nicht den festgelegten Verhaltensnormen der Gesellschaft entsprechen. In der Handlung geht es um eine junge erfolgsverwöhnte junge Frau, die eine bipolare Störung hat. Mit der Charakterbeschreibung der Hauptprotagonistin Patricia Fischer hat Mari März hier eine Punktlandung hingelegt. Denn Patricia Fischer ist charakterlich kaum einzuordnen, schwer zu greifen und sehr facettenreich. Das kommt hin, denn ich selbst kenne zwei solcher außergewöhnlichen Menschen, die ich sehr mag und die ziemlich kreativ und erfolgreich sind, wenn sie ihre schöpferischen Phasen haben.
Meist wird das ja unterbunden, solche Menschen bekommen oftmals ein Wust dämpfender Medikamente. So auch im Roman Patricia Fischer und das von Kind an. Sie durfte eigentlich nie richtig sie selbst sein – sondern genormt eben. Die Eltern Patricias sind gut situiert – da darf das Mädel natürlich nicht auffallen. So hat sie sich nie richtig kennengelernt – weiß gar nicht wie ihr richtiges ICH eigentlich ist, ob sie überhaupt je eines hatte – wenn ja, hat sie es mit 12 Jahren schon verloren.
Nach einem missglückten Suizid gerät ihr ganzes Leben durcheinander, privat und auch beruflich. Sie nimmt sich eine Auszeit und versucht entlegen aller Geschäftigkeit, zu sich selbst zu finden. Und dann schwebt in ihrem Unterbewusstsein noch eine dunkle Wolke aus ihrer Kindheit, die sie nie fassen kann, die zugedeckt wurde von der jahrelangen Medikamenteneinnahme und so finster ist, dass es ihr vor der Wahrheit graut. Doch ihr Zwillingsbruder stupst sie fast mit der Nase darauf und bleibt da ziemlich hartnäckig. Er gibt ihr einen Karton voller Erinnerungen mit in diese Auszeit, dessen Inhalt sie sich anschauen möchte. Ein Schlüsselerlebnis, welches so eindringlich ist, dass sie es wegschieben und nicht hinsehen will, es am liebsten verdrängen würde, was sich ihr da offenbart. Doch eine tiefe kurze bittersüße Liebe, Fürsorglichkeit und eine Offenheit, die sie dabei erfährt und bis dahin nicht kannte, bewegt Patricia dazu, sich mit ihrem ICH auseinanderzusetzen, sich so anzunehmen wie sie ist, auch sich das Dunkel, was nun frei liegt, genau anzusehen. Sie zieht persönlich für sich die richtigen Schlussfolgerungen und denkt an einen Neuanfang. Diese positive Erkenntnis der Hauptprotagonistin, unterstreicht Mari März mit meinem Lieblingsgedicht Hermann Hesses – »Stufen«. Besser kann man gelebte Vergangenheit und einen völligen Neubeginn, einen Neustart seines Lebens nicht akzentuieren.
Wunderbar geschildert hat die Autorin im Buch auch die innige Verbundenheit zwischen Zwillingen, die ich seit sechs Jahren bei unseren Zwillingsenkeln hautnah miterleben darf.
Ich empfehle dieses Buch sehr gerne der Leserschaft weiter, es ist bemerkenswert sensibel, spannend und sehr lebendig geschrieben und zeigt auch die Einsamkeit des Anderssein in unserer Gesellschaft. Dabei gibt es viele berühmte Persönlichkeiten, die ebenso sind und ohne die wäre unsere Welt ein bisschen ärmer.
Heidelinde Penndorf
(03.03.2019)
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