Meine Eltern und auch meine Großeltern haben nie über diese Zeit gesprochen. Jetzt weiß ich auch warum. Es ist zu schwer in Worte zu fassen, was sie erlebten. Das Erlebte war zu grausam, um es auszusprechen, um es uns begreiflich zu machen.
Während des Lesens dieses Buchs blinkten in meinem Kopf immer wieder die Fragen auf:
»Warum tun die Machthabenden einer Regierung, dies ihrer Zukunft – also den Kindern ihres Landes – an? Warum werden ganze Völker heute noch durch Kriege so geschunden, psychisch so vergewaltigt? Ist es Gier nach Bodenschätzen, nach Ländereien, ist es Größenwahn? Ist es der krankhafte Auswuchs eines narzisstischen Gehirns, ganze Völker, auf diese Weise zu malträtieren?«
Der Hütejunge … eine Kindheit im Krieg – beschreibt das Leben einer Familie und auch das soziale zwischenmenschliche Miteinander, eines kleinen Eifeldorfs im Zweiten Weltkrieg. Man rückt zusammen, hilft sich gegenseitig, denn alles wird rationiert, das Geld entwertet und die Lebensmittelmarken sind irrational, weil es kaum noch etwas Essbares zu kaufen gibt. Doch der Einfallsreichtum der Menschen damals kannte keine Grenzen, denn es ging ums nackte Überleben.
Als dann das kleine Dörfchen zur Front wird, erleben die Menschen die Hölle auf Erden – Flüchtlingsströme, die nicht abreißen, Soldateneinquartierungen, Leichen die sich in der Kirche stapeln und überall der Verwesungsgeruch, Massengräber in Ermangelung von Särgen, zerbombte Häuser, notdürftig zurechtgemachte Keller als Schutzräume – und mittendrin der Hütejunge – der Junge ohne Namen – der seine farbenfrohen Träume verliert und eine ganze Zeit nur noch alles in Grau sieht. Der Fels in der Brandung für ihn – seine Mutter, seine Geschwister und sein Märchenbuch. Grad die bunten Bilder seines Märchenbuchs, sind es, die ihm helfen, die Bombennächte zu überstehen …
Und eines Tages ist es vorbei – die Übriggebliebenen, die Überlebenden – stehen vor den Trümmern ihres Lebens und den zerbombten Ruinen ihrer Häuser – wo anfangen und wie, fast ohne Geld und Baumaterial? Anfang 1947 ist er plötzlich wieder da – Johannes – der große Bruder des Hütejungen – der Heimkehrer – kaum einer erkennt ihn – ergraut sind seine Haare, ausgemergelt ist er, nur noch Haut und Knochen und uralt, doch nicht an Jahren …
Es muss wirklich die Hölle gewesen sein, für die damaligen Generationen, der auch meine Eltern und Großeltern angehörten, schreckliches müssen ihre Augen gesehen und ihre Ohren gehört haben, schmerzhaft muss ihnen ihre Ohnmacht auf der Seele gelegen haben, so schlimm und grausam, muss vieles gewesen sein, dass sie es in sich verschlossen – manche für immer.
Ulrike Blatter hat ein ergreifendes Buch geschrieben, ein Buch, welches grade in dieser Zeit sehr wichtig ist, weil sich ganz Europa politisch derzeit wieder nach rechts bewegt und die Machthabenden dieser Welt, nach noch mehr Macht streben und wir wissen, wie das enden kann, wenn man zu GROSS sein will.
Der Schreibstil der Autorin ist der Geschichte angepasst und beschreibt das Gewesene und die Charaktere überaus lebendig.
Chapeau Ulrike Blatter!
Ich empfehle das Buch sehr gerne - Sie sollten es unbedingt lesen, denn es ist ein aufrüttelndes Buch, eines was wach macht und nach Frieden ruft!
Heidelinde Penndorf