Maria und Yasemin haben mich von den ersten Seiten an in ihre Geschichte gezogen und keinen Ausweg gelassen. Seite um Seite bin ich vorsichtig vorangeschritten. Die Erzählung ist ein emotionales Pulverfass, das gleichermaßen beängstigend und beeindruckend ist. Ich begab mich auf eine Reise durch eine unbekannte Umgebung, die von einem komplexen Gefühlsmix geprägt ist, der wie versteckte Tretminen unvermittelt explodiert.
Wut, Angst, Respekt, Mitleid, Verständnis, Mut, Hilflosigkeit, Verachtung und mehr wechseln sich ab. Schwäche wird zur Stärke und umgekehrt. Menschen, selbst ehemalige Verbündete, werden zu Opfern. Man sucht verzweifelt nach Menschlichkeit in einem System, das Menschen als Kollateralschaden betrachtet. Doch es gibt in dieser Geschichte auch Liebe, Vertrauen, Hoffnung und Zusammengehörigkeit.
Die Erkenntnis, dass Yasemin und viele andere durch ihre Vergangenheit kaum eine Wahl hatten, so zu werden, wie sie sind, ist schmerzhaft und schockierend. Yasemins Fassade aus Kälte und Härte war ihre Überlebensstrategie, und es ist mutig von ihr, Marias Nähe zuzulassen, die kleine Risse in ihrer Mauer hinterlässt – ein wichtiger, wenn auch winziger Hoffnungsschimmer.
Während des Lesens setzte ich mich mit einer Glaubens-Thematik auseinander, die ich zuvor nur oberflächlich wahrnahm. Es scheint alles hoffnungslos, als könnten eigene Gedanken und Taten nichts bewirken, doch genau diese Hoffnung darf nie verloren gehen. Das Buch fordert dazu auf, die eigenen Sichtweisen zu hinterfragen und die Komfortzone zu verlassen, um die feinen Nuancen zu erkennen. Es hilft, die schrecklichen Taten und Gedanken besser zu verstehen, auch wenn sie nicht erträglicher werden.
Die Geschichte ist von zwei Autoren so eindrucksvoll erzählt, dass sie tief unter die Haut geht. Das Buch tut weh, reißt Wunden auf und weigert sich, sie zu schließen. Es vermittelt keine einfachen Lösungen, sondern zeigt, wie kompliziert Wahrheit, Liebe und Widerstand in einer zerrissenen Welt sind. Am Ende bleibt keine einfache Quintessenz, sondern ein Nachhall, der lange nachklingt – und genau das macht die größte Stärke dieses Romans aus: Er lässt nicht los und fordert Haltung und Nachdenken, das Literatur genauso sein sollte, wenn es um ernste Themen geht.
Zwei so verschiedene Frauen, Maria zwischen Religion und Freiheitsdrang, Yasemin als toughe Maklerin mit düsterem Geheimnis, treffen in einem zerrissenen Berlin aufeinander. Ihre Verbindung bringt nicht nur ihr eigenes Leben, sondern ein ganzes System ins Wanken. Parallel dazu deckt der Journalist Amir Nouri eine gefährliche Verschwörung auf, die tief in radikale Netzwerke führt. Das Buch behandelt Schuld, Vergebung, Liebe und den Mut, dem Licht zu folgen, selbst wenn alles zu brennen scheint.
Dabei werden auch aktuelle und schwierige Themen angesprochen, wie den Widerstand junger Frauen im Iran, die Unterdrückung der Frauen, die nicht in der Religion, sondern in politischer Macht begründet ist, und die Verzerrung von Begriffen wie Dschihad.
Das Buch beleuchtet, wie der Iran seine Macht mit Unterwanderung und der Indoktrination junger Menschen bewahrt, die in Europa in Machtpositionen eingeschleust werden. Dabei geht es auch um Umerziehungslager, Gewalt und die Kraft der Liebe zwischen zwei Welten, Glaubenskonflikte, Selbsthass und Selbstaufgabe.
Der Roman ist ein intensives Erlebnis, das tief berührt, zum Nachdenken anregt und die Sicht auf die Welt erweitert. Es ist eine Geschichte von inneren Kämpfen bis zur Selbstaufgabe, die letztlich Hoffnung schenkt. Dieses Buch ist keine einfache Lektüre, aber eine, welche die Wunden unserer Zeit offenlegt, ohne vor der Härte zurückzuschrecken. Es ist ein Leseerlebnis, das sich niemand entgehen lassen sollte.
Heidelinde Penndorf
(September 2025)