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Donnerstag, 27. November 2025

⭐neue Leseempfehlung:⭐Ich bin konservativ. Was sonst.: Essays wider den Zeitgeist - Markus Langemann

 



Oh Captain, my Captain – dieser ikonische Ruf steht seit jeher für den Mut, aufzustehen, wenn geistige Führung verloren geht, und für die Kraft, sich gegen die Bequemlichkeit des Mitlaufens zu stellen. In diesem Geist habe ich Markus Langemanns Essayband gelesen: als Einladung, wieder Haltung anzunehmen, Maß zu finden und meinen inneren Kompass zu schärfen, der in unserer Zeit allzu oft übertönt wird.

Das Buch versammelt rund 35 Essays, die in sprachlicher Eleganz, persönlicher Offenheit und gedanklicher Präzision zeigen, wie ein moderner Konservatismus heute verstanden werden kann. Ich habe beim Lesen oft gedacht, wie sehr Langemann es schafft, literarische Schönheit mit gesellschaftlicher Relevanz zu verbinden – und immer wieder betont er, dass die Erosion zentraler Werte nicht zufällig geschieht, sondern wesentlich durch politische und gesellschaftliche Führungsschichten beschleunigt wurde.

Langemann beschreibt eine Welt, die sich immer schneller dreht, und macht deutlich, dass Konservativsein kein Rückzug ist, sondern eine aktive Haltung, die Substanz, Verlässlichkeit und Stil bewahrt. Seine Bildsprache – die Schallplatte als Sinnbild des Innehaltens, das kleine Schwarze für verlorenes Formgefühl, die Sneaker als Zeichen entgrenzter Kultur – öffnet für mich anschauliche Zugänge und verleiht seiner Kritik eine Leichtigkeit, die dennoch nie an Tiefgang verliert.

Zugleich bleibt seine Kulturkritik nicht abstrakt: Ich habe oft nicken müssen, als Langemann zeigt, wie politische Führung und gesellschaftliche Eliten vielerorts zu Antreibern der Beliebigkeit geworden sind. Orientierung wird durch Schlagworte ersetzt, Prinzipien durch Stimmungen. Das Versagen derjenigen, die eigentlich Stabilität garantieren sollten, wird für ihn zur wesentlichen Ursache eines allgemeinen Werteverlustes. Wer an der Spitze schwankt, lässt die Gesellschaft ohne Richtung zurück – und ich spürte beim Lesen, wie dringend wir wieder klare Maßstäbe brauchen.

Doch trotz dieser Analyse bleibt seine Haltung konstruktiv. Für mich wird deutlich: Konservativität ist keine starre Verteidigung alter Formen, sondern eine „aktive Werkstatt“, in der Werte wie Freiheit, Verantwortung und Solidarität erneuert werden. Seine Essays zeigen, dass Tradition lebendig bleibt, wenn man sie nicht musealisiert, sondern in die Gegenwart hinein weiterdenkt. Ich fand diesen Ansatz überraschend modern, dialogbereit und zukunftsgewandt.

Die Spannweite seiner Texte reicht von gesellschaftlichen Beobachtungen über politische Diagnosen bis hin zu persönlichen Einsichten. Besonders berührt hat mich seine Verletzlichkeit, die zwischen den Zeilen spürbar wird: Die Sehnsucht nach Beständigkeit, Ruhe und Sinn wird nicht theoretisch diskutiert, sondern menschlich fühlbar. Ich konnte mich immer wieder darin wiederfinden, dass Werte keine abstrakten Begriffe sind, sondern innere Koordinaten unseres Lebens.

„Ich bin konservativ. Was sonst.“ ist damit weit mehr als ein politischer Kommentar. Für mich ist es ein literarisches, nachhallendes Plädoyer für Achtsamkeit und eine innere Haltung, die der Schnelllebigkeit unserer Zeit etwas entgegengesetzt. Der Band bietet Orientierung, ohne zu dogmatisieren, und schafft einen geistigen Raum, der nicht belehrt, sondern stärkt.

Am Ende bleibt mir das Gefühl, einem Autor begegnet zu sein, der in einer unübersichtlichen Welt nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit klarer Stimme und offenem Herzen spricht. Eine Stimme, die mich dazu einlädt, aufzurichten, wo andere flach geworden sind. Eine Stimme, die mich daran erinnert, dass Führung nicht Lautstärke bedeutet, sondern Integrität.

Und so spannt sich für mich ein leiser, aber kraftvoller Bogen vom ersten Satz bis zur letzten Seite: der Ruf nach einem Denken und Verhalten, das wieder Würde hat. Oh Captain, my Captain.

Sehr gern empfehle ich das Buch weiter, man sollte es gelesen haben.

Heidelinde Penndorf

(November 2025)





Freitag, 21. November 2025

⭐neue Leseempfehlung:⭐AHORN FEUERHERZ - Christine Keller



Diese Geschichte hat mich ganz unmittelbar berührt – nicht nur als Leserin, sondern als Mensch. Die Autorin entführt die Leserschaft tief in die Innenwelt eines introvertierten Mädchens. Ihre enorme Sensibilität und verletzliche Empathie erinnerten mich an eigene Unsicherheiten. Besonders berührend ist die Darstellung ihrer schnellen, schmerzhaften Suche nach Selbstliebe und das Hin- und Her zwischen Verletzlichkeit und Stärke, verkörpert durch ihren imaginären Freund Cassian, der ihr Halt und Hoffnung gibt, und genau zur Hallowen-Zeit in Erscheinung tritt.

Im Hauptteil wird anschaulich beschrieben, wie schwierig es für das Mädchen ist, mit Selbstverletzungen umzugehen und in einem Umfeld aufzuwachsen, in dem die Eltern zwar körperlich präsent, aber emotional abwesend sind. Der imaginäre Freund wird als innerer Schutzraum greifbar – ein liebevoller Begleiter, der bleibt, zuhört und Mut macht. Gleichzeitig erlebt sie zarte Momente der Annäherung mit David ihrer ersten großen Liebe im Klassenverband ihres Colleges, der ihr zuletzt seine Zuneigung zeigt. Diese Begegnungen bringen kleine Lichtblicke in ihr Leben und verdeutlichen, wie sich Vertrauen und Nähe trotz Verletzlichkeit entwickeln können.

Beeindruckend ist, wie die Geschichte die Herausforderungen eines jungen Menschen schildert, der trotz Distanz und Unverständnis seinen eigenen Weg zur Selbstakzeptanz sucht. Das Buch sensibilisiert für psychische Belastungen und zeigt, wie wichtig es ist, innere Stimmen ernst zu nehmen.

Es ist ein sensibles, authentisches Porträt einer jungen Seele, das mit seiner Verletzlichkeit zugleich große Stärke zeigt. Ein stilles, tief bewegendes Plädoyer für Empathie, Selbstannahme und die Kraft innerer Begleiter – ein Buch, das lange im Nachhall bleibt.

Am Ende der Geschichte fügt die Autorin zudem Wissenswertes über den Ahorn zusammen und ergänzt die Erzählung mit passenden Rezepten. Diese zusätzlichen Informationen bereichern das Buch auf eine besondere Weise und laden die Leserschaft ein, das Gelesene im übertragenem Sinn, auch praktisch zu erleben.

Gern empfehle ich diese Urban-Fantasy-Geschichte weiter.

Heidelinde Penndorf

(November 2025)












Mittwoch, 19. November 2025

⭐neue Leseempfehlung:⭐ Der Tod allein ist keine Frau - Carola Seeler & Heiger Ostertag

 




„Der Tod allein ist keine Frau“ ist ein Roman, der eindringlich von Identität, Macht und der Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen erzählt. Das Autorenduo verbindet eine präzise, stellenweise kühle Sprache mit atmosphärisch dichten Bildern, die lange nachwirken. Persönliche Traumata und gesellschaftliche Strukturen verweben sich zu einem Geflecht aus Schmerz, Widerstand und Sehnsucht – ohne in einfache moralische Kategorien zu verfallen.

Die Figuren sind komplex, widersprüchlich und zutiefst menschlich. Im Zentrum steht die Studentin Aische Ylmaz, die im beschaulichen Passau ihre Freundin ermordet auffindet. Dieses Ereignis zieht sie in die düsteren Seiten der kleinen Stadt hinein und führt sie an die Grenzen von Loyalität und Angst. Gemeinsam mit Kommissar Xaver Moosleitner blickt sie hinter die Fassaden religiöser und gesellschaftlicher Verbindungen, entdeckt Machtmissbrauch und andere dunkle Geheimnisse. Mit kompromissloser Selbstanalyse und verletzlicher Stärke trägt die Protagonistin durch die Geschichte, in der sich introspektive Innenschau und scharfe Realität zu einem psychologisch intensiven Panorama verweben.

Besonders eindrucksvoll ist die Frage, was Überleben bedeutet, wenn das eigene Selbstbild zerbrochen ist. Der Roman schaut ungeschönt auf die Erfahrungen von Kindern, die in Institutionen oder kirchlichen Einrichtungen Gewalt und Entwürdigung erlebt haben. Er zeigt, wie tief solche Verletzungen Identität und Geschlechtsempfinden prägen können – bis hin zur Verdrängung oder Aufspaltung des eigenen Ichs.

Auch in der studentischen Gruppe verdichten sich individuelle Brüche zu einem kollektiven Spannungsfeld. Mit Aisches Erlebnis reißt das Verdrängte wieder auf, Loyalitäten geraten ins Wanken und gesellschaftliche Fassaden beginnen zu bröckeln. Das Autorenduo zeichnet ein präzises Bild einer von Schuld, Schweigen und Machtkämpfen geprägten Gesellschaft, in der selbst privilegierte Milieus nicht frei von Verstrickungen bleiben.

„Der Tod allein ist keine Frau“ ist kein leichtes Buch – aber eines, das mutig dorthin blickt, wo viele wegsehen. Es ist ein Buch, das man nicht einfach „liest“, sondern das man eine Weile mit sich herumträgt. Es fordert, erschüttert und schenkt jene seltene Klarheit, die entsteht, wenn Literatur das Unsagbare berührt.

Heidelinde Penndorf

(November 2025)







Dienstag, 11. November 2025

⭐neue Leseempfehlung:⭐ Das Henkerlächeln Teil II: Klarheit im Zeitalter der Auflösung - Johannes Henker



Schon allein das Vorwort der Schattenchronistin zu „Das Henkerlächeln – Klarheit im Zeitalter der Auflösung“ berührt mich tief und stimmt sehr nachdenklich, denn es beschreibt ein Buch, das mutig und unerschrocken die gesellschaftlichen Wunden offenlegt, ohne sich der Zustimmung anzubiedern.

Johannes Henker nimmt für mich eine klare Haltung ein, die sich entschieden gegen die weit verbreitete Kultur der Vermeidung und der moralischen Inszenierung richtet.

Der Autor zeigt eindrücklich, wie Anpassung, Selbstzensur und eine digital gesteuerte Empörungsökonomie unsere öffentliche Kommunikation prägen. Sprache wird dabei zunehmend verflacht durch Wohlfühlrhetorik und moralische Signale, während der Diskurs zur Bühne wird, auf der Haltungen performt und Inhalte ignoriert werden. Besonders beeindruckt mich seine These vom betreuten Konsens: Freiheit und Wahrheit verlieren durch selbstregulierte Kontrolle und ständige Selbstbeobachtung ihrer Substanz.

Trotz dieser schonungslosen Diagnose fühle ich Henker nicht als resigniert. Im Gegenteil – er fordert eine Klarheit auf, die in präziser Sprache und stiller Standhaftigkeit wurzelt. Für ihn bedeutet Widerstand vor allem die konsequente Weigerung, sich dem Sog der Beliebigkeit hinzugeben. Gerade weil das Buch keine einfachen Lösungen bietet, entfaltet es sich für mich eine nachhaltige Wirkung.

„Das Henkerlächeln“ Teil II ist für mich eine anspruchsvolle und pointierte Kritik an den Mechanismen unserer heutigen Diskurse. Es rüttelt auf, macht unbequem und fordert dazu heraus, die Realität mit ungeschönter Klarheit und Haltung zu betrachten. Dieses Buch empfehle ich allen jenen, die sich nicht mit oberflächlichen Antworten zufriedengeben, sondern eine tiefgehende Reflexion über Freiheit, Wahrheit und gesellschaftliche Dynamik suchen.

Das Buch regt dazu an, über die Bedeutung von Klarheit und Wahrheit in unserer digital geprägten Kommunikationskultur nachzudenken. Für mich ist es eine Einladung, Widerstand als stille Standhaftigkeit zu verstehen und die eigene Haltung zur Sprache kritisch zu reflektieren. Besonders nachdenklich macht mich Henkers These des „betreuten Konsenses“, die wichtigen Fragen über Freiheit, Demokratie und gesellschaftlichen Diskurs aufwirft – Fragen, die es wert sind, gerade heute immer wieder neu gestellt zu werden. Dieses Buch verdient gelesen zu werden, denn es analysiert mit bemerkenswerter Klarheit, woran unser Land erkennbar leidet.

Heidelinde Penndorf

(November 2025)










Sonntag, 9. November 2025

⭐neue Leseempfehlung:⭐ Die Schuldigen Teil II: Herz vs. Verstand - Ava J. Thompson



Schon die ersten Seiten von Ava J. Thompsons zweitem Band haben mich gefesselt. Ich spürte sofort die Spannung, die in jeder Begegnung, jedem Blick liegt. Liebe wird hier zum Risiko, Loyalität zur Prüfung – und selbst die engsten Bindungen können retten oder zerstören. Matteo, Howard und die dazugehörigen vier Frauen stehen nicht nur vor der Frage, wie sie ihre Gefühle leben, sondern auch, wer sie innerhalb der starren Familienstrukturen wirklich sein dürfen, sein sollen.

Die Mafia erscheint mir hier nicht als glamouröses Machtspiel, sondern als archaisches System aus Erwartungen, Zwängen und unausgesprochenen Gesetzen. Jede Bindung ist eine Entscheidung, jeder Blick eine Prüfung, jede Geste eine potenzielle Schwäche:Die Ehe, die Macht sichern soll.
Die Freundschaft, die zugleich Heimat und Gefängnis ist.
Die Liebe, die nicht sein darf – und gerade deshalb nicht aufhört.
Überfälle die Leben auslöschen und physische Schäden nach sich ziehen

Thompson gibt den leisen Momenten Raum: der Sehnsucht, gesehen zu werden, der Angst, zu verlieren, was man nie ganz besitzen durfte, und dem Versuch, inmitten von Gewalt ein eigenes Herz zu bewahren. Howard ringt mit der Frage, ob Zugehörigkeit mehr bedeutet als Blutsbande – und was man dafür bereit ist aufzugeben. Seine Entwicklung zeigt, wie Loyalität zur Identität werden kann, aber auch, wie schnell Identität zur Last wird. Matteo steht zwischen Gefühl und Pflicht; sein Konflikt ist keine dramatische Explosion, sondern eine stille, bohrende Tragik: das Wissen, dass man sich selbst verliert, während man versucht, alle anderen zu schützen.

Die Frauen in dieser Geschichte sind keine Randfiguren. Ich habe bewundert, wie sie die Konsequenzen dieser Welt am unmittelbarsten spüren, tiefer lieben, härter verlieren und mehr tragen, als man ihnen zugesteht. Ihre Stärke liegt nicht in Lautstärke, sondern in Würde und manchmal sogar im Verlust der Würde und der daraus resultierenden Rache.

Thompsons Stil hat mich sofort gepackt. Prägnant, nuanciert, mit der perfekten Balance zwischen Spannungsspitzen und stillen Passagen. Rückblenden und Perspektivwechsel vertiefen die psychologische Dimension und machen jede Figur begreifbar – selbst dort, wo ich ihre Entscheidungen nicht nachvollziehen konnte.

So entsteht ein Bild der Mafia, das nicht vom Glanz lebt, sondern von Bindung, Loyalität und Liebe – die schützen, fesseln, heilen und manchmal verletzen. Herz vs. Verstand erzählt nicht vom Verbrechen, sondern von den Herzen, die darin gefangen sind. Ein Roman über Menschen, die in einem System überleben müssen, das wenig Raum zum Atmen lässt – und die gerade in diesen engen Zwischenräumen Hoffnung finden.

Durch die genial gezeichneten Familienstammbäume im Buch verdichtet sich die Geschichte auch ziemlich gegenwärtig und ich war gefühlt mitten unter den handelnden Personen.

Am stärksten hat mich der Moment getroffen, in dem die scheinbare Stabilität zerbricht. Der Überfall auf das Anwesen ist kein lauter Showmoment, sondern der Augenblick, in dem sichtbar wird, was Loyalität und Zugehörigkeit wirklich kosten: Sicherheit ist nur geliehen, Frieden immer vorläufig. Vertrauen wird fragil, Bindungen werden geprüft, und selbst die scheinbar unerschütterlichen Säulen der Familie geraten ins Wanken. Besonders die Frage, ob das Familienoberhaupt der Duartes überlebt, wirft einen Schatten über die letzten Seiten – weniger eine Frage des Körpers als eine Frage der Ordnung: Wer steht auf, wenn derjenige fällt, an den alle glauben.

Das Ende hat mich erschüttert. Nicht laut, sondern still. Ein Roman, der lange nach dem letzten Satz nachklingt und zeigt, dass Liebe und Loyalität erst dann ihre Bedeutung entfalten, wenn sie Gefahr und Prüfung standhalten – oder verlieren.

Heidelinde Penndorf

(November 2025)










Dienstag, 4. November 2025

⭐neue Leseempfehlung:⭐ Das Henkerlächeln: Abrechnung mit einer untergehenden Gesellschaft - Johannes Henker



Johannes Henker gelingt mit „Das Henkerlächeln - eine schonungslose Abrechnung mit einer Gesellschaft“, die sich selbst in Bequemlichkeit und moralischer Selbstzufriedenheit ertränkt. Das Buch ist kein sanftes Trostpflaster, sondern ein scharfes Schlaglicht, das uns den Spiegel vorhält – der Henker vollstreckt seine Aussage ohne Erklärung, ohne Urteil, genauso unnachgiebig, wie Karl Kraus es in seinen scharfzüngigen Essays auf den Punkt gebracht hätte.

Henker nimmt uns mit durch dreizehn Kapitel, die wie Messerfiguren eines skalpellartigen Sezierens wirken: Demokratie als hohles Ritual, Bildung, die Wissen durch Haltung ersetzt, Medien, die nicht aufklären, sondern betreuen, Fortschritt, der sich nur noch in Tempo bemisst, und eine moralische Ersatzreligion, die echte Werte durch Empfindsamkeit und Konformität ersetzt. Dabei zeigt sich eine Gesellschaft in Haltung gefangen, die sich selbst lähmt und das Sprechen verlernt hat.

Was den Stil betrifft, erinnert mich Henker an Karl Kraus, nicht nur durch die sprachliche Präzision und die unbestechliche Kritik, sondern auch durch die moralische Schärfe und den Kampf gegen gesellschaftliche Heuchelei. Henker kanalisiert diese Tradition mit klarem Blick und beißender Ironie, ohne je in leichtfertigen Zynismus abzurutschen. Sein treffender Satz „Zynismus ist nur Wahrheit mit Haltungsschaden“ spiegelt dabei das ganze Dilemma unserer Zeit wider.

Für mich ist es ein kluges Buch, ein Buch, das lange nachhallt und zur Selbstreflexion zwingt. Es macht deutlich, dass nicht das System versagt, sondern wir Menschen, wenn wir uns in Bequemlichkeit und Oberflächlichkeit verlieren. Dieses Werk lädt dazu ein, sich der eigenen Rolle bewusst zu werden und den Mut zu finden, aus der Haltungslosigkeit auszubrechen.

Es ist ein wütendes, kluges und letztlich notwendiges und sehr mutiges Buch – ein literarischer Weckruf, der unbequem ist, der weh tut und nicht ignoriert werden sollte. Ich empfehle das Buch sehr gern weiter. Lesen Sie es, um zu verstehen, was in unserem Land passiert.

Heidelinde Penndorf

(November 2025)







Montag, 3. November 2025

⭐neue Leseempfehlung:⭐ Der Wind spielt mit der Lokustür. Von den Folgen frühkindlicher Verlassenheit - Carola Hoffmann



Carola Hoffmanns Roman „Der Wind spielt mit der Lokustür“, erschienen 2005, lässt in klarer, unbeirrter Sprache das Heimkind Michael selbst zu Wort kommen. Seine Stimme trägt das Buch – unverstellt, klug und manchmal schutzlos – und offenbart ein tiefes Bedürfnis nach Vertrauen, Wärme und Verlässlichkeit, das er teilweise beim stillen Holzschnitzer Kalle findet. Doch die Erwachsenenwelt reagiert mit Misstrauen und Ordnungseifer, was letztlich in Michaels Rückkehr in ein Heim für „Schwererziehbare“ mündet – ein Wort, das die Intoleranz gegenüber Andersartigkeit offenbart.

Das Buch zeigt wiederholt das Motiv des „unbequemen Kindes“, das durch seine Andersartigkeit stört und daher ruhiggestellt werden soll. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch die Erzählung und offenbart die Härte der Erziehungssysteme gegenüber individueller Verletzlichkeit.

Hoffmann zeichnet Michaels kindliche Sicht mit feinem Humor und großer Wahrhaftigkeit. Seine Beobachtung, dass Erwachsene Akten „als Haltbügel benutzen, wenn sie nicht weiterwissen“, vermittelt den Schmerz eines Kindes, das oft mehr sieht als die Erwachsenen.

Neben der Geschichte eines Heimkindes ist das Buch ein literarischer Blick in die Tiefenschichten menschlicher Verletzlichkeit und ein leises Plädoyer, zuzuhören, bevor man urteilt. Fachlich betrachtet greift es das Thema der „frühkindlichen Verlassenheit“ auf, eine Erfahrung, die das Leben prägt, auch wenn sie längst sprachlos geworden ist.

Dieses stille, eindringliche Buch wird durch Michaels unverwechselbare Stimme zu einem Werk, das lange nachhallt. Es wurde im Jahr 2005 verlegt und bleibt eine bedeutende literarische Auseinandersetzung mit emotionaler Verwundbarkeit und gesellschaftlichem Unverständnis. Sehr gern empfehle ich das Buch weiter.

Heidelinde Penndorf

(November 2025)






Sonntag, 2. November 2025

⭐neue Leseempfehlung:⭐ Frau Emilia und die Detektivin 2: Wintergeschichten aus Kleinsonnendorf - Sabine Schumacher



Mit großer Vorfreude habe ich erneut den Weg nach Kleinsonnendorf gefunden – jenen kleinen literarischen Zufluchtsort, der mich schon beim ersten Band bezaubert hat. Auch dieses Mal gelingt es Sabine Schumacher, Leichtigkeit, Humor und emotionale Tiefe auf wunderbare Weise zu vereinen. Ihre Erzählkunst wärmt das Herz, ohne jemals ins Sentimentale abzurutschen.

Die drei miteinander verwobenen Geschichten fügen sich zu einem stimmungsvollen Ganzen. Kleinsonnendorf im Winter – ein wahres Lesevergnügen: liebevoll gezeichnet, atmosphärisch dicht und voller lebendiger Figuren. Man spürt in jeder Zeile, wie sehr die Autorin ihr kleines literarisches Dorf liebt. Doch auch hier ist nicht alles eitel Sonnenschein: mysteriöse Fallen im Wald, ein ambitioniertes Weihnachtsmarktprojekt, eine zarte Romanze, Geschwisterliebe, eine ungewisse Reise, ein beinahe gescheitertes Fest und ein charmanter Gigolo bringen Spannung und Bewegung ins winterliche Dorfleben.

Im Fokus stehen Freundschaft, Zusammenhalt und gegenseitige Hilfsbereitschaft – Themen, die sich behutsam in die Erzählungen einfügen und jeder Episode ihren eigenen emotionalen Klang verleihen.

Lady Emilia und ihre Freundin, Privatdetektivin Lena, zeigen Herz, Scharfsinn und Humor – und beweisen einmal mehr, dass Mitgefühl und Loyalität jede Krise überstrahlen können. Diese Geschichten sind kleine Wohlfühlauszeiten: warmherzig, fein erzählt und getragen von jener stillen Heiterkeit, die man an langen Winterabenden so sehr schätzt.

Sabine Schumacher besitzt die besondere Gabe, mit wenigen Worten ganze Bilderwelten entstehen zu lassen. Schon nach kurzer Zeit sieht man Kleinsonnendorf förmlich vor sich, als blättere man durch ein lebendiges Fotoalbum – jede Gasse, jedes Gesicht liebevoll und klar gezeichnet. Ihr Stil ist elegant, wortgewandt und voller feiner Zwischentöne, die beim Lesen unweigerlich ein Lächeln hervorrufen.

Fazit: Gern empfehle ich der Leserschaft das Buch weiter.

Drei Wintergeschichten voller Charme, Herz und Menschlichkeit – Erzählungen über Freundschaft, Zusammenhalt und den kleinen Zauber des Alltags. Sabine Schumacher hat mich erneut begeistert: Cozy Crime in seiner anmutigsten Form. Wer den ersten Band mochte, wird diesen lieben. Und wer neu nach Kleinsonnendorf reist, findet hier den schönsten Einstieg in eine warmherzige literarische Welt.

Heidelinde Penndorf

(Oktober 2025)